Der Himmel auf Erden.
Magazin Contact #24
Wo sind die Check-in-Schalter? Wo die Security-Screenings? Wo die vielen, vielen Abflug-Gates? Wenn man es nicht besser wüsste, würde man sich beim Betreten des Gebäudes nach nur wenigen Schritten in einem modernen, skandinavisch angehauchten Flughafen wähnen und sogleich mit Schrecken feststellen, seinen Trolley zu Hause vergessen zu haben. Die Assoziation ist gar nicht so falsch, dreht sich hier doch wahrlich alles ums leichtgewichtig-luftig Himmlische. Ort des Geschehens ist das jüngste Bürohaus „Sky Central“ am Sky-Campus in Osterley, West-London. Von hier aus schickt der britische Fernsehsender Sky Nachrichten und Sport-News aus aller Welt in alle Welt hinaus. „Wir haben uns nach einem Ort gesehnt, der sowohl auf Kollegen als auch auf Besucher inspirierend und energetisierend wirkt“, sagt Andrew Jackson, Bau- und Projektmanager bei Sky. „Die Stiegen, Rampen und Plattformen, die ins zentrale, lichtdurchflutete Atrium hineinragen, machen diesen Ort, aber auch das Arbeitserlebnis und die Kommunikation unter den Mitarbeitern einzigartig.“ 160 Meter lang zieht sich die zentrale, abenteuerlich gepixelte Atriumstraße über die an Häuserschluchten erinnernden Arbeits- und Meeting-Plattformen durchs gesamte Gebäude.
Die Ausmaße des „Sky Central“, der mit 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das neue Herzstück des 13 Hektar großen Sky-Campus darstellt, sind wahrlich gigantisch: Mit einer Bruttogeschoßfläche von 38.000 Quadratmetern würde das Bürohaus in der Londoner Innenstadt rund 30 klassische Hochhausetagen in Anspruch nehmen, rechnet Jackson vor. „Doch hier geht sich das gesamte Raumprogramm ohne hierarchische Barrieren auf gerade mal drei Stockwerken aus.“ Die Anordnung ist luftig und hell, was auch daran liegt, dass die Erschließungsbereiche offen und transparent gestaltet sind und durch mehr als 400 Oberlichten mit Tageslicht versorgt werden. „Im Grunde genommen kann man sagen, dass sich in diesem Gebäude alles rund um die Stiegen, Rampen und Plattformen dreht“, erklärt Wayne McKiernan, Direktor von PLP Architecture. Das Londoner Architekturbüro hat das Projekt gemeinsam mit Amanda Levete Architects (AL_A) und dem international tätigen Interior-Gestalter HASSELL geplant. „Hier läuft alles zusammen, hier findet die zentrale, informelle und im Büroalltag so überaus wichtige Kommunikation statt. Wir haben die Erschließung so gestaltet, dass es viele redundante Wege gibt, um von A nach B zu gelangen. Auf diese Weise können die Menschen zwischen vielen verschiedenen Pfaden wählen und jedes Mal unterschiedlichen Menschen begegnen.“
Abspecken statt Aufzug
Die ungewöhnliche Organisation hat nicht nur kommunikative Gründe: Ein ausdrücklicher Wunsch des Auftraggebers nämlich war die Attraktivierung der Fußwege und die bewusste Hintanstellung der baulich vorgeschriebenen – und zwar realisierten, aber geschickt versteckten – Aufzüge. Tatsächlich nehmen die meisten Mitarbeiter, so McKiernan, die Einladung zum beiläufigen Muskeltraining wahr. Die täglichen Schritte, heißt es seitens Sky, seien ein Beitrag zur integrativen Sport- und Gesundheitsförderung, die in Großbritannien in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat.
18 kleine Nachbarschaften.
Von diesen ernüchternden Zahlen ist heute nichts zu merken. Ganz im Gegenteil: Es gibt kaum ein Eck, das nicht menschelt, das nicht charmant zum Verweilen und Beobachten des quirligen, städtischen Geschehens einlädt. Überall Bänke, überall Lounge-Chairs, überall Sitzstufen mit flauschigen Kissen in den Corporate-Farben Orange, Magenta und Blau. Am aufregendsten ist wohl der Blick in den verglasten und rundum einsehbaren Newsroom, von dem aus im Stundentakt über das neueste globalpolitische Geschehen berichtet wird. „Die Kommunikation und der Kontakt zu den Menschen ist eine zentrale Qualität dieses Projekts, die sich bis ins letzte Detail durchzieht“, sagt Felicity Roocke, Geschäftsführerin beim Interior-Gestalter HASSELL. „Dazu gehört auch, dass wir die 3.500 Arbeitsplätze in 18 kleinere Neighbourhoods gesplittet haben. So wird das Städtische in überschaubare, dörfliche Strukturen unterteilt.“ Jede Nachbarschaftseinheit fasst rund 200 Mitarbeiter und verfügt über Teeküche, Lounge, Rückzugsräume und vielfältig gestaltete Mittelzonen zum kollektiven Arbeiten, wohingegen die klassischen Arbeitsplätze entlang der rundumlaufenden Glasfassaden konzentriert sind. Hinzu kommen 30.000 (!) Pflanzen, die über das gesamte Gebäude verteilt wurden.
Mehr Arbeitsplätze als nötig.
„Sky hatte sehr klare Vorstellungen über die Arbeitsplatzqualität und war ein sehr kompetenter Projektpartner“, erzählt Roocke. „Dazu zählt auch, dass ein Teil des Hauses zwar als Shared Desk mit Clean-Desk-Policy geführt wird, dass aber deutlich mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stehen als benötigt werden. Das ist eine Besonderheit, mit der man als Planerin nicht alle Tage konfrontiert ist.“ Sinn und Zweck dieser Strategie ist jene Luftigkeit und Leichtigkeit, die dem Himmel auf Erden gebührt. Oder, wie Neil Usher, Workplace-Leiter bei Sky, erklärt: „Wir haben hier einen Arbeitsraum geschaffen, der unsere Angestellten dazu anspornt, die beste und hochwertigste Arbeit ihrer Karriere zu leisten.“ Ein himmlischer Auftrag? Das muss jeder Mitarbeiter für sich selbst entscheiden. Fest steht jedenfalls, dass der Sky-Central-Bau für seine nachhaltige Architektur und flexible und sozial inspirierte Arbeitsplatzgestaltung kürzlich mit dem Zertifikat „BREEAM Excellent“ ausgezeichnet wurde.
Wojciech Czaja
Photocredit: HASSEL Mark Cocksedge